Mukoviszidose

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| Der Internist 5·99 476 M. Stuhrmann 1 · H. von der Hardt 2 · H. Fabel 3 1 Institut für Humangenetik, Medizinische Hochschule, Hannover 2 Kinderklinik, Medizinische Hochschule, Hannover 3 Abteilung für Pneumologie, Medizinische Hochschule, Hannover Mukoviszidose Auch eine Erkrankung des Erwachsenenalters? am Transport von Wasser und Harn- stoff, an der Regulation von Natriumka- nälen und – mittels ATP-Transport – von sog. auswärts gerichteten Chlorid- kanälen (Outwardly rectifying deopla- rization chloride channals, ORDICs) und schließlich als Rezeptor für Bakte- rien an der Oberfläche respiratorischer Epithelzellen oder der apikalen Ober- fläche von Darm-Epithelzellen [31] zu spielen, wobei einige der aufgeführten zusätzlichen Funktionen von CFTR durchaus kontrovers diskutiert werden. Die mehr als 800 bisher bekannten Mutationen im CFTR-Gen (eine Liste aller Mutationen findet sich im Internet unter http://www.genet.sickkids.on.ca/ cftr/) können zum völligen Fehlen (Klas- se 1-Mutationen), zu einer Reifungsstö- rung (Klasse 2), zu einer Blockierung der Regulation (Klasse 3), zu einer Stö- rung der Leitfähigkeit (Klasse 4) oder zu einer eingeschränkten Synthese des CFTR-Proteins (Klasse 5) führen [50] und somit unterschiedliche Konse- quenzen auf zellulärer Ebene (Abb. 1) und in der phänotypischen Ausprä- gung der Erkrankung bewirken. Die Vielzahl der CFTR-Genotypen ist aller- dings nicht die einzige Ursache der phänotypischen Variabilität der Muko- viszidose: die klinische Symptomatik wird darüberhinaus durch weitere ge- netische und nicht-genetische Faktoren beeinflußt. Schließlich ermöglicht die Kenntnis der molekularen Ursache der Mukoviszidose auch neue, gegebenen- falls sogar mutationsspezifische Thera- pieansätze der Erkrankung [6], bzw. lie- fert eine kausale Erklärung für die Die Mukoviszidose (Cystische Fibro- se, CF) stellt mit einer Häufigkeit von ca. 1/2500 Neugeborenen und einer He- terozygotenrate von ca. 4% eine der häufigsten autosomal-rezessiv vererb- baren Erkrankungen in der kaukasi- schen Bevölkerung dar [47]. Die Identi- fizierung der molekularen Ursache der Mukoviszidose gelang 1989 durch die Klonierung des „cystic fibrosis trans- membrane conductance regulatory“ (CFTR)-Gens [36] und dem Nachweis von krankheitsverursachenden Muta- tionen in diesem Gen [21]. Die etwas umständlich anmutende Bezeichnung für das „Mukoviszidose-Gen“ erklärt sich aus der anfänglichen Unsicherheit über die Funktion des auf dem langen Arm des Chromosomen 7 lokalisierten CFTR-Gens, dessen 27 Exons für ein 1480 Aminosäure großes, überwiegend in der apikalen Membran vollständig differenzierter Epithelzellen nachweis- bares Protein [49] kodieren. Inzwischen ist insbesondere durch Studien der CFTR-Expression in heterologen Systemen und durch eine zellfreie CFTR-Rekonstruktion in Phos- pholipidvesikeln – die Funktion von CFTR als cAMP regulierter Chloridka- nal gut belegt [46]. Die hydrophoben Transmembrandomänen des CFTR- Proteins formen eine Ionenpore, die im geöffneten Zustand von Chloridionen in Richtung des elektrochemischen Gradienten passiert werden kann. Je nach Gewebe und Zellart dient dieser Kanal der Resorption (z.B. in den Schweißdrüsen) oder der Sekretion (z.B. in den exokrinen Pankreaszellen) von Chloridionen. Über seine Funktion als Chloridka- nal hinaus scheint das CFTR-Protein auch eine Rolle bei der Regulation der Endo- und Exoxcytose in Epithelien, Übersicht Internist 1999 · 40:476–485 © Springer-Verlag 1999 Zum Thema Die Mukoviszidose gehört zu den monoge- netischen Erbkrankheiten mit autosomal- rezessivem Erbgang, hat eine vergleichs- weise hohe Inzidenz von 1:2500 Neugebo- rene, besonders in der kaukasischen Bevöl- kerung, und zeichnet sich durch eine Vielfalt von Symptomen aus. Diese haben ihre gemeinsame Ursache in einer mehr oder weniger ausgeprägten Dysfunktion der Chloridkanäle sezernierender Epithelien mit der Folge von eingedicktem und viskösem Sekret. In den vergangen 10 Jahren seit der Identifizierung des CFTR-Gens (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulatory) sind nicht weniger als 800 ver- schiedene Genmutanten entdeckt worden. Die klinische Symptomatik ist vor allem durch den betroffenen Respirations- und Gastrointestinaltrakt geprägt, des weiteren sind als Folge der Mukoviszidose ca. 95% erkrankter Männer und ca. 20% erkrankter Frauen infertil. War früher die Lebenserwartung auf das Kindesalter begrenzt und vor kurzem noch auf ca. 20–21 Jahre, geht man heute davon aus, daß bei optimaler Betreuung ca. 80% der Betroffenen die Chance haben, das 45. Lebensjahr zu erreichen. Somit wird die ursprüngliche Kinderkrankheit zur einer Erkrankung des Erwachsenenalters. Über Ätiologie, Pathogenese, Diagnostik, Klinik und Therapie wird an dieser Stelle ein Über- blick gegeben. Ausdrücklich sei auf mehrere Internet-Adressen, über die man Kontakt zu entsprechenden Betreuungszentren aufneh- men sowie den letzten Stand der Muta- tionen finden kann, hingewiesen. Schlüsselwörter Mukoviszidose, Genetik · Zystische Fibrose, Genetik · CFTR-Gen · Genetik, Mukoviszidose Priv.-Doz. Dr. M. Stuhrmann Institut für Humangenetik, Medizinische Hochschule, Carl-Neuberg-Straße 1, D-30625 Hannover& / f n - b l o c k : & b d y :

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| Der Internist 5·99476

M. Stuhrmann1 · H. von der Hardt2 · H. Fabel3

1 Institut für Humangenetik, Medizinische Hochschule, Hannover2 Kinderklinik, Medizinische Hochschule, Hannover3 Abteilung für Pneumologie, Medizinische Hochschule, Hannover

MukoviszidoseAuch eine Erkrankung des Erwachsenenalters?

am Transport von Wasser und Harn-stoff, an der Regulation von Natriumka-nälen und – mittels ATP-Transport –von sog. auswärts gerichteten Chlorid-kanälen (Outwardly rectifying deopla-rization chloride channals, ORDICs)und schließlich als Rezeptor für Bakte-rien an der Oberfläche respiratorischerEpithelzellen oder der apikalen Ober-fläche von Darm-Epithelzellen [31] zuspielen, wobei einige der aufgeführtenzusätzlichen Funktionen von CFTRdurchaus kontrovers diskutiert werden.

Die mehr als 800 bisher bekanntenMutationen im CFTR-Gen (eine Listealler Mutationen findet sich im Internetunter http://www.genet.sickkids.on.ca/cftr/) können zum völligen Fehlen (Klas-se 1-Mutationen), zu einer Reifungsstö-rung (Klasse 2), zu einer Blockierungder Regulation (Klasse 3), zu einer Stö-rung der Leitfähigkeit (Klasse 4) oderzu einer eingeschränkten Synthese desCFTR-Proteins (Klasse 5) führen [50]und somit unterschiedliche Konse-quenzen auf zellulärer Ebene (Abb. 1)und in der phänotypischen Ausprä-gung der Erkrankung bewirken. DieVielzahl der CFTR-Genotypen ist aller-dings nicht die einzige Ursache derphänotypischen Variabilität der Muko-viszidose: die klinische Symptomatikwird darüberhinaus durch weitere ge-netische und nicht-genetische Faktorenbeeinflußt. Schließlich ermöglicht dieKenntnis der molekularen Ursache derMukoviszidose auch neue, gegebenen-falls sogar mutationsspezifische Thera-pieansätze der Erkrankung [6], bzw. lie-fert eine kausale Erklärung für die

Die Mukoviszidose (Cystische Fibro-se, CF) stellt mit einer Häufigkeit vonca. 1/2500 Neugeborenen und einer He-terozygotenrate von ca. 4% eine derhäufigsten autosomal-rezessiv vererb-baren Erkrankungen in der kaukasi-schen Bevölkerung dar [47]. Die Identi-fizierung der molekularen Ursache derMukoviszidose gelang 1989 durch dieKlonierung des „cystic fibrosis trans-membrane conductance regulatory“(CFTR)-Gens [36] und dem Nachweisvon krankheitsverursachenden Muta-tionen in diesem Gen [21]. Die etwasumständlich anmutende Bezeichnungfür das „Mukoviszidose-Gen“ erklärtsich aus der anfänglichen Unsicherheitüber die Funktion des auf dem langenArm des Chromosomen 7 lokalisiertenCFTR-Gens, dessen 27 Exons für ein1480 Aminosäure großes, überwiegendin der apikalen Membran vollständigdifferenzierter Epithelzellen nachweis-bares Protein [49] kodieren.

Inzwischen ist – insbesonderedurch Studien der CFTR-Expression inheterologen Systemen und durch einezellfreie CFTR-Rekonstruktion in Phos-pholipidvesikeln – die Funktion vonCFTR als cAMP regulierter Chloridka-nal gut belegt [46]. Die hydrophobenTransmembrandomänen des CFTR-Proteins formen eine Ionenpore, die imgeöffneten Zustand von Chloridionenin Richtung des elektrochemischenGradienten passiert werden kann. Jenach Gewebe und Zellart dient dieserKanal der Resorption (z.B. in denSchweißdrüsen) oder der Sekretion(z.B. in den exokrinen Pankreaszellen)von Chloridionen.

Über seine Funktion als Chloridka-nal hinaus scheint das CFTR-Proteinauch eine Rolle bei der Regulation derEndo- und Exoxcytose in Epithelien,

ÜbersichtInternist1999 · 40:476–485 © Springer-Verlag 1999

Zum Thema

Die Mukoviszidose gehört zu den monoge-

netischen Erbkrankheiten mit autosomal-

rezessivem Erbgang, hat eine vergleichs-

weise hohe Inzidenz von 1:2500 Neugebo-

rene, besonders in der kaukasischen Bevöl-

kerung, und zeichnet sich durch eine Vielfalt

von Symptomen aus. Diese haben ihre

gemeinsame Ursache in einer mehr oder

weniger ausgeprägten Dysfunktion der

Chloridkanäle sezernierender Epithelien mit

der Folge von eingedicktem und viskösem

Sekret. In den vergangen 10 Jahren seit der

Identifizierung des CFTR-Gens (Cystic

Fibrosis Transmembrane Conductance

Regulatory) sind nicht weniger als 800 ver-

schiedene Genmutanten entdeckt worden.

Die klinische Symptomatik ist vor allem

durch den betroffenen Respirations- und

Gastrointestinaltrakt geprägt, des weiteren

sind als Folge der Mukoviszidose ca. 95%

erkrankter Männer und ca. 20% erkrankter

Frauen infertil.

War früher die Lebenserwartung auf das

Kindesalter begrenzt und vor kurzem noch

auf ca. 20–21 Jahre, geht man heute davon

aus, daß bei optimaler Betreuung ca. 80%

der Betroffenen die Chance haben, das

45. Lebensjahr zu erreichen. Somit wird die

ursprüngliche Kinderkrankheit zur einer

Erkrankung des Erwachsenenalters. Über

Ätiologie, Pathogenese, Diagnostik, Klinik

und Therapie wird an dieser Stelle ein Über-

blick gegeben. Ausdrücklich sei auf mehrere

Internet-Adressen, über die man Kontakt zu

entsprechenden Betreuungszentren aufneh-

men sowie den letzten Stand der Muta-

tionen finden kann, hingewiesen.

Schlüsselwörter

Mukoviszidose, Genetik · Zystische Fibrose,

Genetik · CFTR-Gen · Genetik, Mukoviszidose

Priv.-Doz. Dr. M. StuhrmannInstitut für Humangenetik,

Medizinische Hochschule, Carl-Neuberg-Straße 1,

D-30625 Hannover&/fn-block:&bdy:

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Wirksamkeit bereits länger eingesetz-ter Medikamente (wie z.B. Amilorid).

Das klinische Bildder Mukoviszidose

Bei der Mukoviszidose handelt es sichum eine Erkrankung, deren Schwere-grad und Manifestationsalter äußerstvariabel ist [47]. Zumeist wird die Dia-gnose im ersten Lebensjahr gestellt;mitunter (in ca. 10% der Fälle) weist einMekoniumileus bereits intrauterin oderunmittelbar nach der Geburt auf dasVorliegen einer Mukoviszidose hin.

Das klinische Erscheinungsbildwird in der Regel von der Lungener-krankung dominiert. Die Sekretion ei-nes viskösen Schleims (Mucus, daherder Name Mukoviszidose) behindertdie ziliäre Clearance und fördert diechronische Besiedlung der Lunge mittypischen Erregern wie Staphylokok-ken (S aureus und S pneumoniae) undHaemophylus influenzae bei jüngerenBetroffenen sowie mit Pseudomonasaeruginosa und/oder Pseudomonas ce-pacia zu einem späteren Zeitpunkt derErkrankung. Pseudomonaden werdenbei den Betroffenen nicht regulär durchdie Bronchialepithelzellen aufgenom-men und unschädlich gemacht sondernkapseln sich in Mikrokolonien inner-halb des Mukus („Alginatbildung“) nurschwer zugänglich ein [18].

Als Ursache für die Dispositionvon Mukoviszidose-Patienten gegen-über chronischen Pseudomonaden-In-fektionen spielt möglicherweise dieverringerte Aufnahmefähigkeit von Pseu-domonaden aufgrund der verminder-ten oder fehlenden Funktion von CFTRals epithelialer Bakterien-Rezeptor eine

compound (gemischt)-heterozygot fürMutationen der Klassen 1 bis 3 sind,weisen fast stets eine Pankreasinsuffizi-enz auf, während bereits die Anwesen-heit einer Klasse 4 oder 5 Mutation zu-meist mit erhaltener exokriner Pan-kreasfunktion (Pankreassuffizienz, PS)einhergeht, obwohl sich auch in diesenFällen fast stets eine eingeschränkte Se-kretion duktaler und azinärer Pankre-aszellen nachweisen läßt [22]. Bei ca.2% der Mukoviszidose-Patienten kommtes zur Entwicklung einer chronischenPankreatitis [10]. Da bei PI-Patientendie azinären Pankreaszellen frühzeitigdegenerieren, findet sich eine chroni-sche Pankreatitis fast ausschließlich beiBetroffenen mit erhaltener Pankreas-funktion (PS-Patienten) [10].

Die zunehmende Pankreasfibrosekann insbesondere bei PI-Patienten imspäteren Alter auch zum Ausfall der en-dokrinen Funktion und damit zumDiabetes mellitus führen. Als weiteregastrointestinale Symptome der Muko-viszidose sind Leberzirrhose und Gal-lensteine zu nennen, wobei mit zuneh-mender Lebenserwartung der Betroffe-nen gerade Diabetes mellitus und diehepatobiliären Symptome immer häu-figer als therapiebedürftige Komplika-tionen der Mukoviszidose beobachtetwerden. Als Risikofaktor für die Ent-wicklung von Gallensteinen konntekürzlich das durch häufige Antibiotika-gaben begünstigte Fehlen von Oxalobac-ter formigenes im Dünndarm von Mu-koviszidose-Patienten identifiziert wer-den [39]. Darüberhinaus wurde durcheine große retrospektive Studie zurKrebshäufigkeit bei 28511 Mukoviszido-se-Betroffenen ein signifikant erhöhtesRisiko für Krebserkrankungen des Ver-dauungstraktes nachgewiesen [30].

Schließlich ist die Mukoviszidosebei mehr als 95% der männlichen Be-troffenen mit einer Infertilität auf-grund einer zur Azoospermie führen-den kongenitalen beidseitigen Vas defe-rens-Aplasie (congenital absence of thevas deferens, CBAVD) vergesellschaftet[19]. Bei weiblichen Betroffenen derMukoviszidose findet sich eine wesent-lich geringere Einschränkung der Ferti-lität, als deren Ursache eine unregelmä-ßige Menstruation und Oligomenor-rhoe sowie häufig auch ein aus viskö-sem Mukus bestehender Pfropf am Zer-vikalmund des Uterus angesehen wer-den [47].

Rolle [31, 40]. Darüberhinaus könnte beiBetroffenen einer Mukoviszidose auf-grund einer verminderten Salzabsorpti-on eine zu hohe NaCl-Konzentration inder Atemwegsflüssigkeit bestehen [40],die zu einer Inaktivierung von β-Defen-sin-1, einem Salz-sensitiven, in denAtemwegsepithelzellen exprimierten na-türlichem Antibiotikum, führt [17].

Die körpereigene Immunabwehrträgt ebenfalls zur fortschreitendenZerstörung des Lungenparenchyms bei.Auch wenn viele Details der Lungener-krankung bei der Mukoviszidose nochunklar sind, führt letztendlich der cir-culus vitiosus aus chronischer Pneu-monie, inadäquater Immunabwehr undprogressiver destruktiver Bronchitismit Ausbildung von Bronchiektasienzum zunehmenden Verlust der Lungen-funktion und bestimmt wesentlich dieLebensqualität und Lebenserwartungder Betroffenen. Ein weniger bedrohli-ches als insbesondere ein bei atypi-schen Verläufen der Mukoviszidoseeher diagnostisch wegweisendes Sym-ptom seitens des Respirationstraktesstellt das Auftreten von Nasalpolypen(bei bis zu 48% der erwachsenen Muko-viszidose-Patienten) dar [25].

Bei etwa 85% der Betroffenen führtdie Verstopfung der Ausführungsgängeder exokrinen Drüsen des Pankreas be-reits in utero zu einer fortschreitendenDegeneration der Zellen mit folgendemzystisch fibrotischen Umbau und einerexokrinen Pankreasinsuffizienz (PI),die unbehandelt mit schweren Mangel-erscheinungen und Gedeihstörungeneinhergeht. Bezüglich der Pankreas-funktion zeigt sich eine bemerkenswer-te Korrelation von Phänotyp und Geno-typ: Betroffene, die homozygot oder

Abb. 1 m Konsequenzen von CFTR-Mutationen auf zellulärer Ebene (Abbildung aus: Stuhrmann, 1998,in Anlehnung an Zielenski und Tsui, 1995). CFTR (rot) bildet einen Chloridkanal in der apikalenZellmembran einer normalen Epithelzelle (links). Bei den Mutationsklassen 1 bis 5 werden kein (1)oder zuwenig (5) CFTR, ein in der Regulation (3) oder Leitfähigkeit (4) beeinträchtigtes CFTR, oder eindem biosynthetischen Arrest unterliegendes (2) CFTR gebildet

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Diagnostik

Klinische Diagnostikder Mukoviszidose im Kindesalter

Im Kindesalter weisen Mekoniumileusin der Neugeborenenperiode, Gedeih-störung mit meist voluminösen, übel-riechenden, ggf. fettglänzenden Stüh-len, Rektumprolaps (rezidivierend),wiederholte obstruktive Bronchitidenund persistierende Sinusitiden (ggf. mitAusbildung von Nasalpolypen) auf eineMukoviszidose hin. Die frühen pulmo-nalen Symptome können eher uncha-rakteristisch sein. Sind gleichzeitig dieintestinalen Symptome gering ausge-prägt oder fehlen sie (Pankreassuffizi-enz), kann es zu einer Verzögerung derDiagnose kommen. Aus diesem Grundewurde wiederholt ein Neugeborenen-screening gefordert.

Screening-Tests

Screening-Tests im Sinne eines Mas-senscreenings haben sich allerdingsnicht durchgesetzt. Sowohl mit demMekoniumtest (Nachweis eines erhöh-ten Albumingehaltes im Mekonium) alsauch mit der Bestimmung des immun-reaktiven Trypsins im Blutstropfen in-nerhalb der ersten Lebenstage werdenzum einen häufiger falsch positive Er-gebnisse erzielt mit einer erheblichenBeunruhigung der Betroffenen, zum an-deren sind diese Teste bei primärer Pan-kreassuffizienz nicht aussagekräftig.Sinnvoller, wenn auch als Massenscree-ning aus Kostengründen und aus politi-schen Gründen nicht durchsetzbar, wäredas DNA Screening in der Neugebore-nenperiode. Angepaßt an das Vertei-lungsspektrum der Mutationen einerbestimmten Bevölkerungsgruppe könn-ten mit diesem Verfahren (das deutlichüber die übliche molekulargenetischeDiagnostik hinausgehen müßte) über96% aller Betroffenen sicher erkanntwerden. Der Schweißtest ist als Scree-ningmethode nicht geeignet.

Schweißtest

Die Diagnose einer Mukoviszidose wirdschließlich durch den Schweißtest gesi-chert [23]. Die Methode ist nur dann zu-verlässig, wenn nach Stimulation mitPilocarpin mindestens 75 µl Schweiß fürdie nachfolgenden Chlorid- und ggf.

arzt//Kinderarzt vor Ort die Langzeitbe-handlung des Kindes verantwortet.

Therapie der Mukoviszidoseim Kindesalter

Die Therapie der Mukoviszidose im Kin-desalter kann hier nur in Grundzügendargestellt werden und richtet sich nachOrganmanifestation und klinischem Ge-samtzustand. Details der Behandlungsind dem vom CF-Zentrum der Medizi-nischen Hochschule Hannover heraus-gegebenen Leitfaden zu entnehmen [24]sowie der Mukoviszidose Infoline im In-ternet (http://www.multimedica.de) undden Leitlinien der Gesellschaft für Pädia-trische Pneumologie, ebenfalls im Inter-net (http://www. med.uni-muenchen.de/gpp/). Grundsätzlich spricht man von 3Therapiesäulen:

Ernährungstherapie

Die Ernährungstherapie hat das Ziel,durchgehend ein Längensollgewicht vonüber 90% des altersbezogenen Sollwer-tes zu erhalten [34]. Die tägliche Kalori-enzufuhr soll bei ca. 135–150% der alters-entsprechenden Empfehlungen liegenmit einem Fettanteil von 45% der aufge-nommenen Nährstoffe. Diese hochkalo-rische und fettreiche Ernährung kannbei Patienten mit Pankreasinsuffizienznur erreicht werden, wenn sie täglich zuden Mahlzeiten magensäurestabile Pan-kreasenzympräparate einnehmen. AlsMindestbedarf werden ca. 10–15.000 Ein-heiten Lipase pro kg Körpergewicht undTag angesehen. Bei ungenügender Wir-kung ist die Enzymzufuhr deutlich zusteigern, ggf. ist eine Fettaufnahme- undFettausscheidungsbilanz bei gleichzeiti-gem Ernährungsprotokoll notwendig.Die zusätzliche Gabe von fettlöslichenVitaminen (vor allem Vit. A, D, E, undggf.K) sowie von Antioxydantien (nebenVit.E vor allem Selen) ist notwendig,ggf.sind Spiegelbestimmungen vorzunehmen.

Antimikrobielle Therapie

Die antimikrobielle Therapie hat dasZiel, die Lungenschädigung möglichstgering zu halten (Vitalkapazität undEinsekundenkapazität über 80% des je-weiligen Sollwertes).

Antimikrobielle Therapie ohne Pseudomo-nasnachweis. Können im expektorierten

Natriumanalyse gewonnen werden kön-nen. Gegenüber der aufwendigen Sam-melmethode des Schweißes mittels Fil-terpapier mit nachfolgender Eluationdes Schweißes sollte heute der Schweißmit Mikropipetten direkt gesammeltwerden (eine Verdunstung ist zu ver-meiden). Chlorid wird dann mittels Mi-krotitration bestimmt. ChloridsensibleElektroden oder Leitfähigkeitsmessun-gen sind obsolet. Die Diagnose gilt alsgesichert, wenn an 3 aufeinanderfolgen-den Messungen Chloridwerte über60 mmol/l gemessen wurden. Im Grenz-bereich zwischen 40 und 60 mmol/loder bei niedrigeren Chloridwertentrotz eindeutiger Klinik sind weiterediagnostische Methoden in folgenderReihenfolge heranzuziehen:

● DNA-Analyse: Nachweis der 10 bis 15häufigsten Mutationen in der Bevöl-kerung [42]

● Nasalpotentialmessung [2]● Bestimmung der Chloridkanalleitfä-

higkeit an Rektumschleimhautbiop-sien in der Ussing-Kammer [45]

● aufwendige DNA-Analytik zum Nach-weis seltener Mutationen

Initiales Staging

Ist die Diagnose gestellt, schließt sich dieBasisdiagnostik an (Tabelle 1), mit derder Status der verschiedenen Organsy-steme zum aktuellen Zeitpunkt be-schrieben werden soll. Mit dieser Basis-untersuchung sollte das Kind in dasbundesdeutsche Qualitätssicherungspro-gramm (nationales CF-Register) aufge-nommen werden (angesiedelt im Zen-trum Qualitätsmanagement bei der Ärz-tekammer Niedersachsen) [48]. Zeit-gleich erhalten die Eltern des krankenKindes eine umfassende Aufklärungüber die Erkrankung, ihnen wird fach-spezifische psychologische Hilfe ange-boten. Zum das Kind bis zum Erwachse-nenalter begleitenden Behandlerteamgehören von Anfang an nicht nur derArzt sonder auch Psychologen, Kran-kengymnastinnen, Diätassistentinnenund Kinderkrankenschwestern, die ins-besondere die Verbindung zwischen derhäuslichen Therapie und der stationärenBehandlung stärken sollen. CF-krankeKinder sollen von Anfang an einem ent-sprechend kompetent ausgestattetem Be-handlungszentrum zugeführt werden,das in Zusammenarbeit mit dem Haus-

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Übersicht

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Sputum (bei kleinen Kindern im wie-derholten Rachenabstrich) noch keinePseudomonaskeime nachgewiesen wer-den, wird eine symptomenassoziierte3- bis 6wöchige Antibiotikatherapie(meist oral, nur bei akuter Verschlech-terung initial auch intravenös) mit Anti-biotika durchgeführt, die gegen Staphy-lokokken und/oder Hämophilus in-fluencae wirksam sind. Diese beidenKeime werden in der initialen Krank-heitsphase am häufigsten nachgewie-sen. In einigen Zentren wird eher eineLangzeittherapie (Dauertherapie) mitentsprechenden Antibiotika empfoh-len. Die wenigen dazu veröffentlichten

kurse alle 3 bzw. 4 Monate angeboten.Grundsätzlich werden 2 Antibiotika un-terschiedlicher Substanzklassen verwen-det, auf die für CF höheren Dosierungenist zu achten (Tabelle 2). Liegt eine Multi-resistenz vor, können Antibiotikakombi-nationen trotzdem noch effektiv sein.Ziel der Antibiotikatherapie bei CF istnicht die Erradikation des Keimes son-dern die regelmäßige Reduktion derKeimzahl und der Keimvirulenz.Im fort-geschrittenen Krankheitsstadium wirddie regelmäßige i.v. Therapie begleitetdurch die Langzeitinhalation von Tob-ramcyin oder Colistin.

Langzeitstudien zeigen aber keinenVorteil der Dauertherapie gegenüberder Intervalltherapie bei klinischer Ver-schlechterung.

Antimikrobielle Therapie bei Pseudomonas-dauerbesiedelung. Liegt bereits eine Dau-erbesiedelung mit Pseudomonas aerugi-nosa vor, insbesondere dann, wenn muk-oide Stämme nachgewiesen werden,wirdeine regelmäßig wiederkehrende intra-venöse Therapie über 14 Tage mit ent-sprechend getesteten Antibiotika durch-geführt. Abhängig vom Schweregrad derErkrankung (also vom Ausmaß der Lun-genschädigung) werden die Therapie-

Tabelle 1

Diagnostische Maßnahmen im Rahmen der Erstdiagnose im Kindesalter (initiales „staging“)

Allgemein

Anamnese, klin. Untersuch. Festlegung des Shwachman-Scores obligatLänge, Gewicht Percentilen und Längensollgewicht obligatRö-Thorax 2 Ebenen Festlegung des Crispin-Norman-Scores obligat

Entzündungsmarker

Leukozytenzahl mit Diff. Entzündungsmarker obligatCRP, IgG Entzündungsmarker obligatIgA, IgM, IgE insbes. IgE, wenn erhöht,Verdacht auf ABPA obligat

Keimbesiedelung

Mikrobiologie Sputum/Rachenabstrich obligatPseudomonas Ak wenn bereits erhöht, chronische Infektion fakultativ, nur bei PA-Nachweis

Zustand der Lunge (Rö.Thorax, s.o.)

Lufu. (VK, FEV1, MEF, etc.) ab 6. Lebensjahr obligat ab 6. LebensjahrSaO2 (seltener BGA) Hinweis für Hypoxämie, pulmonaler re.-li. Shunt obligatErgospirometrie aktuelle Belastbarkeit, ab 10. Lebensjahr obligat bei Erstdiagnose nach

10. Lebensjahr

Leberfunktion, Galleausscheidung

Quick, PTT etc. Prüfung der Leberfunktion,Vit.K.Status obligatGOT, GPT, AP, yGT, CHE, GLDH, Bili., Gallensäuren Prüfung der Leberfunktion und des Galleflusses obligatAlbumin, Protein, Prüfung der Leberfunktion und der Resorption obligatSonographie, Doppler Leberstruktur, intrahepatische Flußverhältnisse obligat

Parameter der intestinalen Resorption

Vitamin A, E Resorptionsparameter obligatEisen, Ferritin,TBK Resorptionsparameter obligatSelen, Zink Resorptionsparamter, Antioxidantienstatus initial fakultativEssentielle Fettsäuren Resorptionsparamter, Antioxidantienstatus initial fakultativbeta-Carotin Resorptionsparamter, Antioxidantienstatus initial fakultativ

spezielle Diagnostik bei manifestem Untergewicht

Ruheenergieumsatz Untergewichtsdiagnostik fakultativBIA, Hautfettfalten Untergewichtsdiagnostik fakultativErnährungsprotokoll Untergewichtsdiagnostik fakultativStuhlfett (3 Tage) Untergewichtsdiagnostik fakultativ

Diverses

Krea., Harnstoff Nierenfunktion vor erster AminoglycosidtherapieHbA1C,BZ,Glucosetoleranztest bei Kindern nach dem 8.–10. Lebensjahr obligat bei älteren KindernAbdomensonographie Nachweis von Darmstenosen obligat bei abdominellen SymptomenGT-Test Initialdiagnostik wichtig für den weiteren Verlauf obligat bei unklarer Infektionslage

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ne ausgeprägte Atemwegsobstruktionvor, unterstützt die Dauertherapie mitlangwirksamen Beta-2-Mimetika dieWirkung der Physiotherapie sinnvoll.

Therapie bei Komplikationen

Zu Sondertherapien bei intestinalenProblemen (mangelhafte Kalorienzu-fuhr und anhaltender Gedeihstörung,intestinale Obstruktion, beginnende Le-berschädigung infolge eines gestörtenGalleabflusses, portale Hypertensionetc.), bei pulmonalen Problemen (persi-stierende Atelektase, rezidivierenderPneumothorax, allergische bronchopul-monale Aspergillose, ausgeprägte Nasal-polypen etc.) sowie bei Frühmanifestati-on eines Diabetes mellitus wird auf dieo.g. Informationsadressen verwiesen.Das gilt auch für die Indikation von Son-dertherapien z.B. mit rhDNase oderantiinflammatorischen Substanzen wieIbuprofen oder die Therapie mit Im-munsupressiva wie Ciclosporin oderMetotrexat. Eine präventiv wirkendeImpfung gegen Pseudomonas aeruginosabefindet sich derzeit in einer Testphase.

Zusammenfassende Therapieziele

Das Behandlungsziel im Kindesalter ist,die Patienten mit Erreichen des Er-wachsenenalters, also mit dem 18. Le-bensjahr, mit möglichst geringem Or-ganschaden in die Erwachsenenbetreu-ung übergeben zu können. Konkretheißt das, daß das Längensollgewichtbei allen Patienten über 90%, die Vital-kapazität und die Einsekundenkapazi-tät über 80% des Sollwertes liegen soll-ten. Dieses ehrgeizige Ziel kann beiüber 90% aller Patienten dann erreichtwerden, wenn die Diagnose früh ge-stellt wird und die weitere Behandlungkonsequent in kompetenten Zentrenerfolgt. Grundsätzlich sollte ein Kindmit Mukoviszidose im Kindesalternicht mehr sterben. Noch weicht dieRealität in der Bundesrepublik von die-sen Zielen ab. Die hervorragenden Be-handlungsergebnisse in unserem Nach-barland Dänemark zeigen aber, daß dasZiel nicht utopisch ist [13].

Der Übergangzur Erwachsenenambulanz

Die oben ausgeführten Fortschritte inder pädiatrischen Therapie haben dazu

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Übersicht

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Antimikrobielle Therapie bei Pseudomonas-erstnachweis. Besonderes Augenmerkgilt der Therapie der Frühbesiedelungmit Pseudomonas aeruginosa (Früh-therapie). Tatsächlich gelingt es beiKindern, bei denen der Keim erstmalsnachgewiesen wurde (3maliger Nach-weis innerhalb von 4–6 Wochen), miteiner sofortigen i. v. Therapie gefolgtvon einer einjährigen Inhalation mitTobramycin oder Colistin in hohemProzentsatz die Dauerbesiedelung mitdiesem Keim zu verhindern bzw. deut-lich zu verschieben [14, 35].

Physiotherapie

Die Physiotherapie hat das Ziel, die täg-liche Sekretentleerung aus den periphe-ren und zentralen Atemwegen zu unter-stützen. Zahlreiche unterschiedliche

Methoden wurden entwickelt, derenWirksamkeit nicht immer in entspre-chenden Studien gesichert werdenkonnte [26]. In den ersten 2 Lebensjah-ren hat die täglich mehrfach durchzu-führende Klopfdrainage sicherlich diegrößte Bedeutung, ab dem 3. bis 4. Le-bensjahr kann mittels PEP-Maske oderFlutter während der Inhalation von iso-tonischer Kochsalzlösung eine gute Se-kretmobilisation erreicht werden, abdem 5. bis 6. Lebensjahr ist sicherlich dieautogene Drainage ggf. in Kombinationmit den genannten Inhalationshilfenbesonders effektiv. All diese Maßnah-men sind aber konsequent täglich we-nigstens zweimal einzusetzen, was gera-de im Kindesalter erhebliche Complian-ceprobleme machen kann. Im Einzelfallist dann Bewegungssport ähnlich effek-tiv und wird besser akzeptiert. Liegt ei-

Tabelle 2

Antibiotikadosierungen bei CF

Orale eingesetzte Antibiotika Tagesdosis (mg/kg) Intervall (h)

Flucloxacillin (Staphylex®) 100 8Cefadroxil (Bidocef®) 50–70 8–12Cefalexin (Oracef®) 50–70 8Amoxycillin (Augmentan®) 50–70 8Cotrimoxazol (Kepinol®) 6–10 8–12Erythromycin (Erycinum®) 50 8Clindamycin (Sobelin®) 20–30 6–8Ciprofloxacin (Ciprobay®) 15–30 8–12

Parenteral eingesetzte Antibiotika Tagesdosis (mg/kg) Intervall (h)

Azlocillin (Securopen®) 400–600 8Ceftazidim (Fortum®) 200–400 8Cefsulodin (Pseudocef®) 200–400 8Aztreonam (Azactam®) 150–200 8Piperacillin (Pipril®) 300–450 8Imipenem (Zienam®) 50–100 8Meropenem (Meronem®)a,b 50–100 8Cefepime (Maxipeme®)a,b 150 (max- Tagesdosis 6 g) 8Ciprofloxacin (Ciprobay®) 15–30 8–12jeweils in Kombination mitTobramycin (Gernebcin®)c 10–12 8Amicacin (Biklin®)c 15–30 8(Gentamycin)c 8–12 8

a Antibiotika der neuesten Generation,b Reserveantibiotika

● Meropenem soll eine gute Burkholderia cepacia - Wirksamkeit aufweisen● Gentamycin wird in der MHH wegen seiner Nephrotoxizität und Resistenzbildung nicht

angewendetc Einmalgaben von Aminoglykosiden werden derzeit in der MHH noch nicht angewendet

Inhalativ eingesetzte Antibiotika Tagesdosis Intervall (h)

Colomycin (Colistin®) 2 Mio. IE 12Tobramycin (Gernebcin®) 160 mg 12

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geführt, daß inzwischen 35% der in CF-Zentren betreuten Patienten das Er-wachsenen-Alter erreicht haben (Abb. 2,[48]).Man schätzt,daß ein heute gebore-nes und an Mukoviszidose erkranktesKind eine 80%ige Chance hat, das 45.Lebensjahr zu erreichen. [13]. Mit denErfolgen der Therapie verlagern sichaber auch die Komplikationen der Er-krankung in das Erwachsenenalter. ImRahmen der zystisch-fibrotischen De-struktion der Lunge entwickelt sich inder Regel eine schwere Bronchialob-struktion, die zu einer globalen Atem-insuffizienz führt. Die bronchopulmo-nalen Symptome dominieren eindeutigim Erwachsenenalter [12]. Über 90% al-ler erwachsen gewordenen Patientenmit CF versterben in der Ateminsuffizi-enz bzw. an den Folgen der Lungenma-nifestation (z.B. Lungenbluten, Pneu-mothorax).

Verständlicherweise ruhen, da einekausale Gentherapie noch in weiterFerne ist, die Hoffnungen vieler Betrof-fener auf einer Lungentransplantation.Diese inzwischen die Lebenserwartung

transplantation trägt auch der Progreßder Erkrankung in den letzten Jahrenbei. Die so charakterisierten Patientenhaben eine 2-Jahres-Lebenserwartungvon weniger als 50%. Da die Wartezei-ten auf ein Organ bei in der Bundesre-publik unzureichendem Organangebothäufig mehr als ein Jahr betragen, ver-sterben viele Patienten „auf der Warte-liste“ in der Ateminsuffizienz bzw. derpulmonalen Kachexie.

Intensivmedizinische Maßnahmenim Sinne eines „Bridging“ stellen zu-nehmend eine sinnvolle und erfolgsver-sprechende Intervention dar.Von 15 Pa-tienten, die bei einer Verschlimmerungihrer Erkrankung eine intensivmedizi-nische Behandlung mit Respirator-The-rapie erhielten, überlebten 9 Patientendie intensivmedizinische Behandlung,4 von ihnen sind inzwischen transplan-tiert und überlebten bis zu 9 Jahrennach Transplantation [11]. Als über-brückende Maßnahmen kommen auchneuere, nicht invasive Beatmungsme-thoden (Masken-Beatmung) in Frage,von denen etwa 50% der Patienten pro-fitieren.

In der Bundesrepublik Deutsch-land wurde 1992 die erste Ambulanz für

deutlich verbessernde Maßnahme hatdas experimentelle Stadium verlassen.Nach Doppel-Lungentransplantation be-trägt die mittlere 5-Jahres-Überlebens-zeit inzwischen 40 bis 75%, unter-schiedlich nach Zentren und Evalua-tion der Patienten. In Deutschland wer-den inzwischen jährlich mehr als 70 Pa-tienten mit Mukoviszidose lungen-transplantiert, davon mehr als dieHälfte in Hannover. Die Option auf eineLungentransplantation hat dazu ge-führt, daß zunehmend Patienten undAngehörige intensivmedizinische Maß-nahmen akzeptieren, z.T. auch fordern,insbesondere dann, wenn die grund-sätzliche Entscheidung zu einer Lun-gentransplantation gemeinsam getrof-fen wurde.

In Deutschland werden Patientenauf eine Warteliste für Lungentrans-plantation aufgenommen, wenn dieLungenfunktion extrem eingeschränktist (FEV1<30% des Sollwertes, arteriel-ler Sauerstoffdruck <60 Torr und arte-rieller Kohlensäuredruck >50 Torr).Zur Entscheidung für eine Lungen-

Abb. 2 m Altersverteilung der gemeldeten CF-Patienten am 31.12.1996 in Deutschland (Abbildungaus: Wissenschaftlicher Beirat Qualitätssicherung Mukoviszidose, 1997)

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erwachsene Patienten mit Mukoviszi-dose in Hannover eröffnet. Inzwischensind weitere Behandlungszentren fürErwachsene entstanden. Wegen derüberwiegend pulmonalen Problematikwird die Behandlung der Erwachsenenvon internistischen Pneumologen vor-genommen. Eine Einrichtung von Be-handlungszentren für erwachsene Mu-koviszidose-Patienten ist wegen derweiter ansteigenden Lebenserwartungfolgerichtig. Die Akzeptanz dieser Zen-tren wird im wesentlichen davon ab-hängen, daß auch das in der Pädiatrievorhandene Wissen in die Erwachse-nen-Medizin transferiert werden kann.

Die spät-manifestierendeMukoviszidose

Neben der typischen Mukoviszidosewerden zunehmend auch spät-manife-ste Formen erkannt, die zwar häufig ei-nen verhältnismäßig milden Verlaufnehmen, mitunter aber auch bereitskurze Zeit nach Diagnosestellung in ei-nen schweren Verlauf übergehen kön-nen. Zwei Fallbeispiele aus der eigenenKlinik bzw. aus der molekulargeneti-schen Diagnostik belegen das breiteklinische Spektrum der spät-manife-sten Mukoviszidose.

1981 wurde uns eine damals 44jähri-ge Frau, Mutter eines gesunden Kindes,wegen progredienter Ateminsuffizienzund Rechtsherzinsuffizienz aus einemauswärtigen Krankenhaus verlegt. Re-zidivierende Bronchitiden zogen sichwie ein roter Faden durch Kindheit undJugend. Die Patientin zeigte radiologi-sche Zeichen einer ausgeprägten Bron-chiektasie. Erstmals vermuteten wir zudiesem Zeitpunkt eine Mukoviszidose,der Schweißtest zeigte pathologisch er-höhte Chlorid-Werte. Die Patientin warnormalgewichtig. Verdauungsbeschwer-den bestanden nicht. Seit 1981 wurdedie Patientin konsequent intravenösantibiotisch behandelt. Sie überstandviele kritische Situationen, u.a. auch ei-ne beatmungspflichtige Ateminsuffizi-enz und überlebte weitere 15 Jahre beiinsgesamt befriedigender Lebensquali-tät.Vor zwei Jahren verstarb sie 59jährigals Großmutter.

Zur Sicherung der Diagnose einerMukoviszidose trug letztendlich auchdie Identifizierung der beiden CFTR-Mutationen ∆F508 und 3272–26A→Gbei der Patientin bei. Interessanterwei-

italienischen Untersuchung bei 9 von 16Betroffenen die IVS8-5T Variante („5T-Allel“, die weltweit häufigste, mit atypi-scher Mukoviszidose assoziierte Verän-derung im CFTR-Gen) und/oder eineweitere Mutation im CFTR-Gen festge-stellt [33], und in einer französischenStudie fand sich bei 6 von 32 Patientenmit disseminierten BronchiektasienHeterozygotie und bei 5 Patienten sogar„compound“-Heterozygotie für CFTR-Mutationen [16]. Sogar bei japanischenPatienten mit Bronchiektasien (die Mu-koviszidose wird in der japanischen Po-pulation praktisch nicht beobachtet)konnten zwei Mutationen im CFTR-Gen nachgewiesen werden (Nukiwaund Seyama, CFTR-Mutationsdaten-bank),wohingegen bei japanischen Pati-enten mit chronischer Bronchitis nichtein einziger Träger der Mutation ∆F508war [1]. Auch unter 100 norddeutschenPatienten mit chronischer Bronchitisfand sich keine Häufung von CFTR-Mutationen [3]. Insgesamt scheint nurein relativ kleiner Teil der „chronischenBronchitiker“ Mutationen im CFTR-Gen zu tragen [1, 3, 15, 16, 33], wenn-gleich der Anteil von Trägern vonCFTR-Mutationen unter chronischenBronchitikern deutlich höher liegt alsin der Durchschnittsbevölkerung.

Durch 2 kürzlich publizierte Studi-en konnte inzwischen belegt werden,daß sich auch bei Patienten mit chroni-scher Pankreatitis gehäuft Mutationenim CFTR-Gen finden [5, 38]. Unter ame-rikanischen Patienten mit idiopathi-scher Pankreatitis konnte das Vorhan-densein einer CFTR-Mutation 11malund das Vorliegen von 2 CFTR-Mutatio-nen 80mal häufiger als erwartet nach-gewiesen werden [5], und bei 134 engli-chen Patienten mit chronischer Pan-kreatitis fanden sich mehr als doppeltso viele CFTR-Mutationen wie auf-grund der Häufigkeit in der allgemei-nen Bevölkerung zu erwarten gewesenwäre [38]. Somit ist zumindest auch ineinem Teil der Fälle die idiopatischePankreatitis als eine monosymptomati-sche Mukoviszidose anzusehen.

Die wohl häufigste Sonderform derMukoviszidose stellt mit einer Häufig-keit von ca. 1/1000 Männern die CBAVDdar [43]. Obwohl bereits 1971 der Zu-sammenhang zwischen Mukoviszidoseund CBAVD postuliert wurde [19]konnte erst 2 Jahrzehnte später durcheine Vielzahl von Studien nachgewie-

se findet sich genau der gleiche Geno-typ bei 2 männlichen Betroffenen einerCBAVD, die zumindestens bei einemder Betroffenen mit wiederholten In-fekten, einer gelegentlichen Maldigesti-on und einer eingeschränkten Lungen-funktion (FEV1 73%) einhergeht [8].Hier wird der fließende Übergang derverschiedenen Formen der Mukoviszi-dose (monosymptomatische→spät-ma-nifestierende→milde (PS)→schwere (PI)Mukoviszidose) besonders deutlich.

Als Beispiel für einen besondersschwerwiegenden Verlauf der spät-ma-nifesten Mukoviszidose muß ein im Al-ter von 52 Jahren an einer Pseudomo-nas-Sepsis verstorbener männlicherPatient angesehen werden, der erst abdem 30. Lebensjahr von wiederholtenBronchitiden betroffen war und mit 49Jahren erste Zeichen einer exokrinenPankreasinsuffizienz aufwies. Bei leichtpathologischem Schweißtest konnte dieDiagnose schließlich durch den Nach-weis der Mutationen ∆F508 und 3849+10kBC→T gesichert werden. Patientenmit dem Genotyp ∆F508/3849+10kBC→T, der oft auch mit einemgrenzwertigen oder normalen Schweiß-test einhergeht, weisen ein deutlich hö-heres Diagnosealter als erwachsene Pa-tienten mit dem häufigsten CFTR-Ge-notyp ∆F508/∆F508 auf (Median 15,5versus 1,8 Jahre) [7].

Atypische, häufigmonosymptomatische Formender Mukoviszidose

Die atypische Mukoviszidose ist wesent-lich häufiger als die typische Mukoviszi-dose. Es wird vermutet, daß ca. 2% allerErwachsenen von einer atypischen, mo-nosymptomatischen Form der Muko-viszidose betroffen sein könnten [10].

Durch den Nachweis einer signifi-kanten Häufung von Mutationen imCFTR-Gen bei Patienten mit dissemi-nierten Bronchiektasien [15, 16, 33],chronisch bronchialer Hypersekretion[9] und allergischer bronchopulmona-ler Aspergillose [29] konnte inzwischengezeigt werden, daß es sich bei einerganzen Reihe von Atemwegserkran-kungen um monosymptomatische For-men der Mukoviszidose handeln kann.Besonders bei der Gruppe erwachsenerPatienten mit Bronchiektasien scheinenMutationen im CFTR-Gen eine wichti-ge Rolle zu spielen. So wurde in einer

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Übersicht

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sen werden, daß es sich bei der Muko-viszidose und dem Großteil der Fällemit CBAVD um allelische Erkrankun-gen handelt [zusammengefaßt in 43].Bei dem gemeinsamen Auftreten vonCBAVD und einer Nierenagenesie han-delt es sich hingegen um eine von Mu-tationen im CFTR-Gen unabhängigeErkrankung [8, 43].

Auch bei anderen Formen der ob-struktiven Azoospermie wie der einsei-tigen Vas deferens-Aplasie (CUAVD)mit Verschluß des kontralateralen,skrotal palpablen Samenleiters [28], beider beidseitigen Obstruktion des Duc-tus ejaculatorius (bilateral ejaculatoryduct obstruction, BEDO) mit begleiten-den Anomalien der Samenbläschen[27] und bei der Obstruktion von Ne-benhodenkörper oder -schwanz ohneAnomalie des Ductus deferens [20],handelt es sich häufig um eine mono-symptomatische, genitale Form derMukoviszidose. Ob auch Spermienrei-fungsstörungen durch Mutationen imCFTR-Gen bedingt sein können, wie ineiner amerikanischen Studie angenom-men [44], kann zur Zeit noch nicht ab-schließend beurteilt werden. Eine Zu-sammenfassung der bisher bekanntenSonderformen der Mukoviszidose fin-det sich in Tabelle 3.

Kriterien der Mukoviszidoseim Erwachsenenalter

So einfach die Diagnosestellung der ty-pischen Mukoviszidose im Kindesalteroft ist (siehe oben), so kompliziert undunsicher ist die Diagnosestellung häu-fig im Erwachsenenalter. In einem

sich die Diagnose mittels einer einfa-chen Untersuchung sichern. Bei ca. 26%der Patienten läßt sich mit dieser Un-tersuchung aber nur eine Mutationnachweisen, und ca. 2% der Betroffenentragen keine der üblicherweise unter-suchten Mutationen [42].

Bei Patienten anderer ethnischerHerkunft ist die Nachweisrate oft gerin-ger, selbst wenn hierbei weitere, in derentsprechenden Population gehäuft vor-kommende Mutationen in die Untersu-chung einbezogen werden. So könnenwir bei türkischen Patienten mit der fürdiese Population üblichen molekular-genetischen Diagnostik nur ca. 40% derCFTR-Allele nachweisen. Erschwerendkommt hinzu, daß gerade auch bei aty-pischen Verläufen gehäuft atypischeMutationen vorliegen, so daß die mole-kulargenetische Diagnostik oft nichtzur gewünschten Klärung der Diagnoseführen kann. Allerdings führt auch derNachweis nur einer CFTR-Mutationschon zu einer – je nach ethnischerHerkunft des Patienten mehr oder we-niger deutlichen – Erhöhung der Wahr-scheinlichkeit, daß es sich bei der Er-krankung eines Patienten wirklich umeine Mukoviszidose handelt.

Bei einem deutschen Patienten mitder klinischen Evidenz von 50% für eineMukoviszidose beträgt die posterioreWahrscheinlichkeit für eine Mukoviszi-dose bei dem Nachweis einer Mutationca. 86%, während für einen türkischenPatienten mit der gleich hohen klini-schen Wahrscheinlichkeit bei dem Nach-weis einer Mutation eine posterioreWahrscheinlichkeit von ca. 95% resul-tiert [41]. Läßt sich keine Mutation

kürzlich publizierten Konsensuspapierwird daher vorgeschlagen, die Diagno-se einer Mukoviszidose dann als gesi-chert anzusehen, wenn ein oder mehre-re charakteristische klinische Sympto-me (inclusive obstruktive Azoospermieund Pankreatitis) bestehen und zusätz-liche Laborbefunde vorliegen (Schweiß-test, Messung der Potentialdifferenzbzw. Chloridströme an Nasalepithelzel-len oder Rektumschleimhaut), die eineCFTR-vermittelte Ionentransportstö-rung belegen, oder durch den Nachweisvon krankheitsverursachenden Muta-tionen in beiden Kopien des CFTR-Gens [37]. Insbesondere das Vorhan-densein einer CBAVD bei einem männ-lichen Patienten mit atypischer Muko-viszidose-Symptomatik kann diagno-stisch wegweisend sein.

MolekulargenetischeDiagnostik und genetischeBeratung

In Deutschland bieten mehr als 40 ver-schiedene Labore die molekulargeneti-sche Diagnostik der Mukoviszidose an[4]. In der Regel wird für diesen Gentestvon den Labors 5–10 ml EDTA-Blut be-nötigt. Mittels der molekulargeneti-schen Diagnostik läßt sich die klinischeVerdachtsdiagnose Mukoviszidose dannsichern, wenn sich eine krankheitsver-ursachende Mutation in beiden Kopiendes CFTR-Gens nachweisen läßt. Durchdie Untersuchung der 15 häufigsten Mu-tationen können in der deutschen Po-pulation etwas mehr als 85% der CF-Al-lele nachgewiesen werden, d.h. bei ca.72% der Mukoviszidose-Patienten läßt

Tabelle 3

Sonderformen der Mukoviszidose. Bei allen genannten Erkrankungen finden sich überdurchschnittlich häufigMutationen im CFTR-Gen

Atemwege Verdauungstrakt männl. Reproduktionsorgane Weiteres

Disseminierte Bronchiektasien chronische Pankreatitis obstruktive Azoospermie neonatale transitorischeunklarer Genese Hypertrypsinämie

Chronische Bronchitis

Chronische bronchiale Hypersekretion CBAVD isolierte isotone Dehydratation

Allergische bronchopulmonale CUAVDAspergillose BEDO

Nasalpolypen Spermienreifungsstörungena

CBAVD: kongenitale beidseitige Vas-deferens-Aplasie; CUAVD: kongenitale einseitige Vas-deferens-Aplasie; BEDO: bilaterale Obstruktion des Ductusejaculatorius; a: vorläufiger Befund

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nachweisen, ergibt sich in diesen Fälleneine ca. 2%ige posteriore Wahrschein-lichkeit für den deutschen und eine ca.28%ige posteriore Wahrscheinlichkeitfür den türkischen Patienten mit derVerdachtsdiagnose einer Mukoviszido-se. Wie bei jeder molekulargenetischenDiagnostik, sollen auch bei der Muko-viszidose die entsprechenden Leitliniendes Berufsverbandes Medizinische Ge-netik zur molekulargenetischen Dia-gnostik [42] unbedingt eingehaltenwerden.

Spätestens dann, wenn die Diagno-se einer Mukoviszidose gesichert ist,sollte den Betroffenen (bei Kindern:den Eltern der Betroffenen) eine gene-tische Beratung angeboten werden. Oftsteht bei der genetischen Beratung dieFrage nach einer möglichen Erkran-kung bei Geschwistern oder Nachkom-men von Betroffenen im Vordergrund.Gerade bei den atypischen Formen derMukoviszidose ist der genetische Bera-ter (oder auch der Internist) oft mitdem Problem konfrontiert, einen sichgesund fühlenden Ratsuchenden mitder Diagnose einer atypischen Muko-viszidose konfrontieren zu müssen.

Den Ratsuchenden sollte dabei dasweite klinische Spektrum der Mukovis-zidose erläutert werden, um klarzustel-len, daß es sich bei den atypischen For-men der Mukoviszidose nicht um dietypische, in den Lehrbüchern der Kin-derheilkunde nachzulesende Form die-ser Erkrankung handelt. Die genetischeBeratung kann dann als erfolgreich an-gesehen werden, wenn sie dazu beitra-gen konnte, dem Ratsuchenden eineselbständige, informierte Entscheidungzu ermöglichen. Die fachübergreifendeZusammenarbeit von Kinderärzten, In-ternisten und Humangenetikern stellthierfür eine wichtige Voraussetzungdar.

Zusammenfassung

Die Mukoviszidose ist inzwischen nichtmehr ausschließlich eine Erkrankungder Kindheit, sondern nimmt mehrund mehr Raum in der Inneren Medizinein. Hierfür spielt nicht nur die auf-grund verbesserter Therapiemöglich-keiten deutlich erhöhte Lebenserwar-tung der typischen Mukoviszidose-Pati-enten eine Rolle. Zunehmend wird auchdie Existenz atypischer Formen der Er-krankung deutlich, die sich oft erst im

● Sondertherapie bei Gedeihstörungen,Leberschädigung, Cholestase, portalerHypertension, Diabetes, Pneumothoraxetc.

Als optimales Therapieziel gelten mög-lichst geringe manifeste Organschädenund mit dem 18. Lebensjahr ein Längen-sollgewicht über 90% sowie eine Vital-und Einsekundenkapazität über 80% desSollwerts.

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35 (im Druck)

Erwachsenenalter als Bronchiektasien,chronische Pankreatitis oder männlicheInfertilität manifestieren. Die phänoty-pische Variabilität der Erkrankung läßtsich wesentlich, aber nicht ausschließ-lich,durch den CFTR-Genotyp erklären.Die Einrichtung von speziellen CF-Am-bulanzen auch in der Inneren Medi-zin/Pneumologie, wie sie sich in derKinderheilkunde bewährt hat, ist eben-so wie die Zusammenarbeit verschiede-ner Fachdiziplinen wie Kinderheilkun-de, Innere Medizin, Psychologie undHumangenetik eine wesentliche Voraus-setzung für die optimale Betreuung derBetroffenen und Ihrer Familien.

Fazit für die Praxis

Verbesserte Diagnostik,Therapie und all-gemeine Betreuung haben dazu geführt,daß derzeit ca. 35% der in Mukoviszidose-Zentren betreuten Patienten Erwachsenesind. Zu diesen zählen auch jene Fälle, beidenen die spät-manifestierte Form derMukoviszidose erst im Erwachsenenalterdiagnostiziert wird. Rezidivierende Bron-chitiden, Bronchiektasien, Rechtsherz- undchronische Ateminsuffizienz sowie Zeicheneiner chronischen Pankreasinsuffizienzsind klinisch die wichtigsten Leitsympto-me für die typische Mukoviszidose, beiMännern Infertilität bei Vas deferens-Aplasie. Bei Frauen ist die Fertilität gerin-ger eingeschränkt. Noch häufiger werdenim Erwachsenenalter allerdings atypische,monosymptomatische Fälle beobachtet,nach Schätzungen bei ca. 2% der Erwach-senenpopulation. Diagnostisch gelten diegleichen Kriterien der Diagnostik, alsoGen- und Schweißtest.

Die Therapie der Mukoviszidose imKindes- und Erwachsenenalter erfolgtzumeist in spezialisierten Zentren inVerzahnung mit ambulanten Praxen,wobei ärztliche, physiotherapeutische,psychologische und soziale Behandlungbzw. Betreuung sich ergänzen. Die wesent-lichen Merkmale der Therapie sind:

● Ernährungstherapie: hochkalorisch, fett-reich, Lipase- und Vitaminsubstitution,

● Antimikrobielle Therapie: besondereDifferenzierung der Behandlung im Hin-blick auf bestehende oder nicht beste-hende Pseudomonasbesiedlung,

● Physiotherapie: vorwiegend Klopfdrai-nage, Inhalationsbehandlung in ver-schiedenen Formen, Bewegungssport,

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Übersicht

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Der Internist 5·99 | 485