Im Westen von Ponferrada - Bauwelt · Im Westen von Ponferrada Unibibliothek, Mensa und zentrales...

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38 | Bauwelt 20 2005 Architekten: Daniel Díaz Font, Belén Martín-Granizo López, León Ausführungsplanung: Luis Roy Ramos, Francisco Palmero Vega Bauherr: Universidad de León Im Westen von Ponferrada Unibibliothek, Mensa und zentrales Servicegebäude Bauwelt 20 2005 | 39 Zunächst verwundert, dass mitten in der Wo- che kaum jemand auf dem neuen Unicampus anzutreffen ist. Semesterferien? Ein Feiertag? Nichts dergleichen – heute ist ein ganz norma- ler Arbeitstag. Doch bislang erfreut sich die seit 1997 bestehende Dependance der Univer- sität León in Ponferrada bei Studenten nicht eben großer Beliebtheit. Anstatt hier, in der eher spröden ehemaligen Bergarbeiterstadt, die Pioniere des postindustriellen Umbruchs zu sein, studieren die meisten lieber direkt in der nur hundert Kilometer entfernt gelegenen alten Residenzstadt León. Die Unileitung ver- sucht, die Zweigstelle in Ponferrada durch das Angebot nicht alltäglicher Fächer attraktiver zu machen; der Studiengang „Kinematografie“ ist ein erfolgversprechender Anfang. Natürlich kraxeln wir als erstes die steile Hang- kante hinauf, um uns selbst einen Eindruck davon zu verschaffen, ob der Blick von oben wirklich so beindruckend ist wie auf dem Foto Javier Azurmendis, das uns den Weg hierher gewiesen hat. Und tatsächlich: Wie die riesen- große, gleichsam in bizarre Teilflächen zerbro- chene, fast schwarze Dachplatte des Campus- gebäudes sich vor dem Stadtrand aus der rot- braunen Erde des Hügels schiebt und die ganze Szenerie im Hintergrund gefasst wird durch die südlichsten Ausläufer des Kantabrischen Nach dem Ende des Bergbaus in Pon- ferrada setzt man nun auf Bildung als Standortfaktor. Südlich des neuen Campuskomplexes wurde ein ehema- liges Krankenhaus (im großen Bild links) für die Zwecke der Universität umgenutzt. Der Neubau selbst beher- bergt unter seinem begehbaren Dach die Bibliothek, die Mensa sowie ein zentrales Servicegebäude. Die Freiflä- che im Norden ist für die sukzessive Erweiterung des Campus vorgesehen. Lageplan im Maßstab 1 : 5000; Längsschnitt im Maßstab 1 : 1000 Gebirges, überwältigt. Erst beim Abwärtsstei- gen auf dem als Treppenanlage gestalteten Platz zwischen dem Neubau und dem für die Universität umgenutzten ehemaligen Kran- kenhaus im Süden, wird deutlich, dass es sich bei dem Neubau gar nicht um ein Haus unter einem großen Dach handelt. Zwei wie mit der Säge präsize in den steinernen Komplex einge- schnittene schmale Gassen teilen ihn in drei Einzelbauten: ganz oben die Bibliothek, in der Mitte die Mensa und unten, an der Straße, ein zentrales Servicegebäude mit studentischen Arbeitsplätzen, Seminarräumen und Ausstel- lungsflächen. 1999, als die Planungen für die Neubauten am Campus begannen, waren gleichzeitig drei Wettbewerbe für drei voneinander unabhän- gige Gebäude ausgelobt worden. Den Leóner Architekten Belén Martín-Granizo und Daniel Díaz Font erschien das jedoch zu kleinteilig, um dem neuen Campus am äußersten westli- chen Rand der Stadt eine tatsächliche Mitte geben zu können. Die drei Funktionen zu ei- ner zusammenhängenden großen architektoni- schen Figur zu vereinen war für sie das viel- versprechendere Konzept. Mit ihrem Entwurf für das ganze Ensemble nahmen sie an allen drei Konkurrenzen teil – und konnten Jury und Bauherrn überzeugen: Dreimal erhielten

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38 | Bauwelt 20 2005

Architekten:

Daniel Díaz Font,

Belén Martín-Granizo López, León

Ausführungsplanung:

Luis Roy Ramos, Francisco Palmero

Vega

Bauherr:

Universidad de León

Im Westen von PonferradaUnibibliothek, Mensa und zentrales Servicegebäude

5. Ponferrada-imp_ok 11.05.2005 12:02 Uhr Seite 38

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Zunächst verwundert, dass mitten in der Wo-che kaum jemand auf dem neuen Unicampusanzutreffen ist. Semesterferien? Ein Feiertag?Nichts dergleichen – heute ist ein ganz norma-ler Arbeitstag. Doch bislang erfreut sich dieseit 1997 bestehende Dependance der Univer-sität León in Ponferrada bei Studenten nichteben großer Beliebtheit. Anstatt hier, in dereher spröden ehemaligen Bergarbeiterstadt,die Pioniere des postindustriellen Umbruchszu sein, studieren die meisten lieber direkt inder nur hundert Kilometer entfernt gelegenenalten Residenzstadt León. Die Unileitung ver-sucht, die Zweigstelle in Ponferrada durch dasAngebot nicht alltäglicher Fächer attraktiverzu machen; der Studiengang „Kinematografie“ist ein erfolgversprechender Anfang.Natürlich kraxeln wir als erstes die steile Hang-kante hinauf, um uns selbst einen Eindruckdavon zu verschaffen, ob der Blick von obenwirklich so beindruckend ist wie auf dem FotoJavier Azurmendis, das uns den Weg hierhergewiesen hat. Und tatsächlich: Wie die riesen-große, gleichsam in bizarre Teilflächen zerbro-chene, fast schwarze Dachplatte des Campus-gebäudes sich vor dem Stadtrand aus der rot-braunen Erde des Hügels schiebt und die ganzeSzenerie im Hintergrund gefasst wird durchdie südlichsten Ausläufer des Kantabrischen

Nach dem Ende des Bergbaus in Pon-ferrada setzt man nun auf Bildungals Standortfaktor. Südlich des neuenCampuskomplexes wurde ein ehema-liges Krankenhaus (im großen Bildlinks) für die Zwecke der Universitätumgenutzt. Der Neubau selbst beher-bergt unter seinem begehbaren Dachdie Bibliothek, die Mensa sowie einzentrales Servicegebäude. Die Freiflä-che im Norden ist für die sukzessive Erweiterung des Campus vorgesehen.

Lageplan im Maßstab 1 : 5000;Längsschnitt im Maßstab 1 : 1000

Gebirges, überwältigt. Erst beim Abwärtsstei-gen auf dem als Treppenanlage gestaltetenPlatz zwischen dem Neubau und dem für dieUniversität umgenutzten ehemaligen Kran-kenhaus im Süden, wird deutlich, dass es sichbei dem Neubau gar nicht um ein Haus untereinem großen Dach handelt. Zwei wie mit derSäge präsize in den steinernen Komplex einge-schnittene schmale Gassen teilen ihn in dreiEinzelbauten: ganz oben die Bibliothek, in derMitte die Mensa und unten, an der Straße, einzentrales Servicegebäude mit studentischenArbeitsplätzen, Seminarräumen und Ausstel-lungsflächen.1999, als die Planungen für die Neubauten amCampus begannen, waren gleichzeitig dreiWettbewerbe für drei voneinander unabhän-gige Gebäude ausgelobt worden. Den LeónerArchitekten Belén Martín-Granizo und DanielDíaz Font erschien das jedoch zu kleinteilig,um dem neuen Campus am äußersten westli-chen Rand der Stadt eine tatsächliche Mitte geben zu können. Die drei Funktionen zu ei-ner zusammenhängenden großen architektoni-schen Figur zu vereinen war für sie das viel-versprechendere Konzept. Mit ihrem Entwurffür das ganze Ensemble nahmen sie an allendrei Konkurrenzen teil – und konnten Juryund Bauherrn überzeugen: Dreimal erhielten

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sie den ersten Preis und schließlich den Auf-trag für den gesamten Komplex.Das vielgestaltige Raumprogramm wird durchein einfaches architektonisches Prinzip zusam-mengehalten: Die Architekten haben das Ge-bäude in Sockel und Dach unterschieden; wäh-rend der rotbraun eingefärbte Waschbeton-sockel den Niveauunterschieden des Terrainsfolgt und durch die angepasste Farbe förmlichso wirkt, als drücke sich hier einfach der Erd-boden ein Stück heraus, reagieren die unter-schiedlich geneigten und auf den verschiedens-ten Höhen geführten Dachflächen auf die je-weiligen räumlichen Anforderungen der dar-unter organisierten Funktionen. Eine etwas skurrile Geschichte verbirgt sichhinter dem für die Dachdeckung und die Fas-sade benutzten Schiefer, der nach Absicht derArchitekten direkt aus Ponferrada hätte kom-men sollen; hier wird Schiefer abgebaut undverarbeitet. Das Gestein ist so hochwertig, dasses sich extrem dünn verarbeiten lässt, worauf

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Eine innere Erschließungsachse ver-bindet die drei Einzelbauten des Kom-plexes. Von links: Gang im Servicege-bäude, Blick zum Essbereich der Stu-denten in der Mensa, großer Lesesaalin der Bibliothek

Fotos: Javier Azurmendi, Madrid

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man in der Stadt außerordentlich stolz ist. Fürdie gewünschte etwas dickere Ausführung fandsich deshalb kein örtlicher Lieferant. Die Bau-firma hat die Architekten bis heute im Unkla-ren darüber gelassen, ob der am Ende verbauteSchiefer überhaupt aus Europa stammt. So dunkel und massiv sich die Gebäude außengeben, so hell, ja heiter ist die Wirkung dertiefen Innenräume, die über die langen Ober-lichtbänder in den Dachflächen belichtet wer-den. Der „Sockel“ wird hier von einem hellenNaturstein gebildet, Wände und Decken sindverputzt und weiß gestrichen. Im Innern wirdauch die Organisation des Komplexes deutlich:Eine „Erschließungsstraße“ verbindet die dreiGebäude in Ost-West-Richtung miteinander. Abgesehen von dieser durchgängigen Achseherrscht die schier grenzenlose Freiheit flie-ßender Räume: Stets bleibt man der Dimensiondes ganzen Gebäudes gewahr, während es zu-gleich mittels differender Deckenhöhen, Boden-niveaus, eingezogener Galerien und mal brei-ter, mal enger geöffneter Lichtbänder in eineVielzahl unterschiedlich großer Bereiche un-terteilt wird, die hier mehr Öffentlichkeit unddort Intimität suggerieren. Die Architekten se-hen ihren Bau denn auch weniger in der Tra-dition spanischer als in der „nordeuropäischer“Vorbilder wie Alvar Aalto und Hans Scharoun.

Grundrisse untere Ebene und obereEbene im Maßstab 1 : 1500;Querschnitte Servicegebäude, Mensaund Bibliothek im Maßstab 1 : 1000

1 Ausstellungsraum2 Veranstaltungssaal3 Arbeitssaal4 Computerplätze5 Lager Mensa6 großer Lesesaal7 Freihandausleihe8 Gruppenarbeitsräume9 Patio

10 Dachterrasse11 Cafeteria Studenten12 Cafeteria Professoren13 Küche14 Leseraum15 Galerie großer Lesesaal16 Einzelarbeitsplätze

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